noch ca. 345 Tage

Es ist der 20.08.2021, als ich zur  Whatsapp- Gruppe
"HH Wochenende" hinzugefügt werde. Administrator ist Eric* und der Grund für die Erstellung dieser Gruppe ist relativ schnell erzählt:
Eric wollte seinen Geburtstag im kleinen Kreis in Hamburg nachfeiern, der Stadt, der auch die befreundeten Haile* und Frank* seit längerer Zeit angehören. Beide (Neu-) Nordlichter schienen - genau wie ich - von Eric im Vorfeld von dessen Plänen unterrichtet worden zu sein, da sowohl Haile und Frank direkt unter meinem Namen erschienen. Die Vorfreunde auf die Zusammenkunft eine Woche später machte sich von Tag zu Tag mehr bemerkbar, der Duktus innerhalb der Whatsapp- Gruppe war geprägt von saloppen Formulierungen, die durch auditive, sowie visuelle Beiträge komplettiert wurden.
(*Name von der Redaktion geändert;
Eric = Eric Zabel, ehem. dt. Radrennfahrer, u. a. Sprintspezialist;
Haile = Haile Gebrselassie, ehem. äth. Langstreckenläufer, ins. 26 Weltrekorde;
Frank = Frank Buschmann, ehem. dt. Basketballspieler, Sportreporterlegende)

Noch ca. 337 Tage 

Der Tag der Zusammenkunft gestaltete sich wie angekündigt und geplant. 

Noch ca. 336 Tage

Grauer Himmel, leichter Regen und eine durchaus gut wahrnehmbare, kühle Brise waren kein Hindernis für das, was sich gegen 14:30 Uhr vor unseren Augen am Jungfernsteg abspielte: Männer und Frauen rannten mit einem Tempo an uns vorbei, es schien, als ob alle vergessen hatten, den Herd daheim auszumachen. 
Zusätzlich noch 3,8km Schwimmen durch Binnen- und Außenalster und 180,2 km Radfahren, et voilà, der Iron Man. Die Euphorie der Zuschauenden konnten die Anwesenden unserer Gruppe nur bedingt teilen, der überschaubare Drang zu Jubelstürmen hatte seine Gründe. Schließlich waren sich jedoch alle einig, dass den Teilnehmenden dieses Iron Man ein Höchstmaß an Respekt gezollt werden müsste.

Noch ca. 335 Tage 

Es ist der 30.08.2021, der Tag der Abreise, als sich der Name unserer  Whatsapp-Gruppe dank des Administrators Eric von 
"HH Wochenende" in 
"Triathlon 2022 *Schwimm/ Radfahr/Lauf* Emoji" änderte. 
Die nächste Nachricht: ein Link für den "Rennkalender", aus dem Termine für die nächsten Triathlon Termine 2022, 2023 entnommen werden konnten. Franks Antwort: "Junge, was hast du vor".
Dem vorausgegangen war ein mehr oder weniger realistisches Fachsimpeln über die zu erbringenden Leistungen. Wir besannen uns und kamen zu dem Entschluss, einen Triathlon über die olympische Distanz in Angriff nehmen zu wollen. Das klang immer noch recht professionell, und dabei sein war in unseren Augen sowieso immer alles. Als langjährige Basketballer wäre das Laufen ja das geringste Problem, außerdem war der ein oder andere schon mal 10km am Stück gelaufen. Radfahren, das war bekannt, verlernt man nie, da kam es auf 1km mehr oder weniger nicht an. Und das Schwimmen, ja, schwimmen konnten wir auch alle, zudem waren die 1,5km  in dieser Disziplin ja offensichtlich die kürzeste Strecke.
Wir standen am Anfang der Binnenalster, sahen auf den Jungfernstieg und das Wasser und versuchten uns fachmännisch im Schätzen von Distanzen, um ein Gefühl zu bekommen. 
Wir bekamen ein Gefühl.

noch ca. 334 Tage

Wieder in München angekommen, berichtete ich Michael* von unserem Vorhaben, wohlwissend, einen langjährigen Schwimmer für so etwas begeistern zu können und mit ihm einen mehr als perfekten Trainingspartner für olympische Distanzen zu haben. Michael sagte sofort zu und wurde somit auch Mitglied der umbenannten Whatsapp- Gruppe.
Nach einigen organisatorischen Anlaufschwierigkeiten fand sich ein gemeinsamer Termin in einem nahegelegenen Hallenbad. Wie es der Zufall so wollte, verfügt es über ein warmes Outdoorbecken, was ich hinsichtlich regenerativer Maßnahmen als mindestens genauso wichtig erachtete, wie das Mitbringen meiner Adiletten.
Michael war mir beim Thema Ausrüstung allerdings weit voraus, zog seine Schwimmbrille an und begann in der Bahn neben mir, dass Becken umzuwälzen, selbstverständlich im positiven Sinn.
Ich hingegen wählte die Bahnen daneben, wo man es gemütlicher anging.
(*Name von der Redaktion geändert;
Michael = Michael Phelps, ehem. US-amerik. Schwimmer, u. a. 23 Mal olympisches Gold)

noch ca. 70 Tage

Seit langem lief ich wieder eine längere Strecke, dieses Mal mit meinen neu erworbenen Laufschuhen, in puncto Ausrüstung die erste von noch vielen ausstehenden Amtshandlungen. Sie sind durchaus bequem, was meine Knie trotzdem nicht daran hinderte, nach ca. 5km zu streiken. Für den Start ganz OK, aber noch ausbaufähig.

noch ca. 69 Tage

Es ist der 22.05.2022, als ich mich in der Mittagspause für den Wörthsee Triathlon anmeldete. Es erschien u. a. ein Feld, genauer gesagt drei Felder, in denen die Schwimmzeit einzutragen war.
Stunden, Minuten, Sekunden, "bitte in vollen Minuten angeben".
Ich versuchte mich zu entsinnen, jemals in meinem Leben mehrere Minuten lang, womöglich im zweistelligen Bereich, vielleicht sogar 60, was laut Definition ja eine Stunde sind, schwimmend von A nach B im Wasser gewesen zu sein. Nicht einmal auf einer Luftmatratze liegend, auf einem offenen Gewässer, wie z. B. dem Mittelmeer, war das der Fall gewesen. Naja, das sollte sich dann ändern. Nachdem ich die von Michael angegebene Schwimmzeit erfuhr, verdoppelte ich meine Zeit großzügig mit dem olympischen Gedanken im Hinterkopf.

noch ca. 59 Tage

Nachdem ich zwei Tage zuvor Laufen gewesen war (mit besserem Ergebnis) stand wieder Schwimmen auf dem Programm, schließlich wollte ich die von mir bei der Anmeldung angegebene Schwimmzeit einigermaßen einhalten, auch wenn sie nur als Richtwert für die Startgruppe diente. Für die Ausführung meiner Schwimmaktivitäten wählte ich das Müller`sche Volksbad an der Isar, ausschlaggebend für die Wahl war weder die Beckenlänge, noch der Härtegrad des Wassers, vielmehr weckte die Anmutung des Gebäudes mein Interesse, ein neobarocker Jugendstilbau.

Vom Jungfernstieg an der Binnenalster in Hamburg zum Jugendstilbau an der Isar in München. So schloss sich der Kreis.

Auf meine Inspektion des Gebäudeinneren folgte die Erkenntnis, eine durchaus würdige Kulisse für mein Vorhaben, mir den Schwimmsport für dieses Projekt temporär näher zu bringen, gefunden zu haben. Auch hier gab es die Einteilung in "Anfänger, die es ruhig angehen lassen" und "Profis, die die Bahnen hoch und runter donnern". Ich entschied mich für die Profibahn, allerdings nur, weil dort der Andrang deutlich geringer ausfiel. Die ersten fünf, sechs Bahnen liefen geschmeidig, ich tat beim Brustschwimmen mein Bestes, sodass es nicht lange dauerte, bis sich mein Puls erhöhte. Deswegen war es sinnvoll, mit wachsendem (Kilo)meterstand kurze Pausen einzulegen. Während ich mittig am Rand, wo die Bahn begann, stand, mein Blick über die imposante Decke wanderte und die Frau neben mir aus der anderen Hälfte des Beckens unter einem enormen Wasserstrahl ihren Rücken durchkneten ließ, fragte ich mich schon, warum das nicht mein Rücken war.
Ich stellte mir im Verlauf des Abends noch häufiger die Frage, was genau der Anlass war, der mich letztlich ca. 558m schwimmen ließ, natürlich von der körperlichen Ertüchtigung abgesehen. 
Wenn es sich nicht konkret um ein Halli- Galli- Spaßevent mit Loopingrutschen und Rio Grande mit Riesengummireifen handelte, fühlte ich mich in Schwimmbädern - drinnen noch mehr als draußen - leicht fehl am Platz. Dieses Gefühl trieb meine Motivation nicht unbedingt weiter nach vorne und ließ meinen inneren Schweinehund kurz laut aufjaulen. Angst hatte ich keine um ihn, denn bekanntich können sowohl Schweine, als auch Hunde schwimmen.

noch ca. 57 Tage

Mit dem festen Entschluss, ein Fahrrad zu kaufen, zog ich an diesem Tag los. Zwei Läden später stand ich im Freien vor der dritten Anlaufstelle. Ich war nicht der Einzige an diesem Samstag, deswegen wartete ich geduldig und begutachtete die dort aufgestellten Räder bis ich an der Reihe war.
Um mich herum Kunden, die vom fachkundigen, jungen, motivierten Ladenpersonal beraten wurden, oder sich selbst berieten, bis sie dran waren. Zwei Männer in ungefähr meinem Alter standen vor dem Schaufenster und schwärmten über das dort ausgestellte Flaggschiff. Mein Fachwissen auf dem Gebiet der bicyclette ist überschaubar, trotzdem erahnte ich aus der angeregten Diskussion, dem Tonfall in der Stimme und natürlich der Optik des Rads selbst, dass es sich um ein Exemplar handeln musste, mit dem man wahrscheinlich auch über Wasser oder auf dem Mars oder auf Wasser auf dem Mars fahren konnte. Es fielen Wörter wie Aerodynamik und Wattersparnis... Mein Blick widmete sich wieder den Rädern vor der Glasscheibe. "Gravelmonster" stand mit agressivem Schriftzug auf einem der Bikes. Wieder erhaschte ich Wortfetzen der beiden Experten: ..."ja, mein Getränkehalter ist ja schon zu weit unten, da komme ich gar nicht ran. Da muss ich mir selber was bauen."

´Bevor ich mir einen Halter selbst baue, brauch ich erstmal ein Rad dafür` dachte ich mir.

Als sich der Andrang der Kundschaft vor mir etwas gelegt hatte, war es so weit, ich trat an die Verkäuferin ran und trug wohlüberlegt 
meine Vorstellung von meinem zukünftigen Rad vor. 
Ein solides Rennrad, kein High- End Powerbike, für einen kleinen Triathlon, mit dem ich später auch noch die Straßen Münchens und eventuell auch die Wege entlang der Isar befahren kann. "Hhhm, also die Eierlegende Wollmilchsau." Ich tat diese Antwort eher ab als ein halb ernst gemeintes, lautes Denken mit Augenzwinkern, war daraufhin aber auch nicht schlauer als vorher. Draußen stand ein Gravelmonster, in der Auslage Räder, deren Schnickschnack Freundentränen in die Augen der gestandensten Experten trieben und meine bescheidenen Wünsche waren also dann keine Monster, sondern die Eierlegende Wollmilchsau.  "Ich komm gleich nochmal, da ist noch ein Kunde draußen, bis gleich." Kurze Zeit später erreichte mich ihr Kollege und nach kurzen Fragen und einem Blick in den Laden musste er mir leider mitteilen, aktuell nichts vorrätig zu haben, was meinen Vorstellungen entsprach, gab mir dankenswerterweise aber weitere Tipps, wo ich in München fündig werden konnte. Ich bedankte mich und zog von dannen.

noch ca. 48 Tage

Die warmen Tage häufen sich und so kommt es, dass auch die Biergärtner und -gärtnerinnen immer hochfrequenter, unter den zahlreichen schattigen Kastanienbäumen sitzend, anzutreffen sind.
Man isst und trinkt, die geläufigsten Einheiten des dort Angepriesenen beschränken sich meistens auf 0,50 (Ente, Hendl, Helles o. Ä.), 1,00 (Hendl, Helles o. Ä.) oder kleinere Maßeinheiten, die jedoch für das jüngere oder weniger hungrige/ durstige Publikum gedacht sind. Auch ich wurde schwach und tauschte am vergangenen Start ins Wochenende meine Trainingseinheiten für diverse 1,00 Einheiten. 
Heute dann die Rückbesinnung, back to business, ca. 8,0km Laufen entlang der Isar (Archivfoto), eingekleidet im Outfit des letzten SportScheck Laufes 2019 (10km), dessen atmungsaktives Gewebe meinen leichten Sonnenbrand angenehm kühlte, denn direkt entlang der Isar gibt es nicht nur Wege, auf denen man laufen kann, es gibt auch Wiesen, auf denen man am Wochenende gut etwas zu lange in der Sonne liegen kann. Die heutige Abendsonne hatte nicht mehr die Strahlkraft, ob das der Grund war, weshalb ich die Strecke ohne größere Probleme meistern konnte? Vielleicht lag es auch daran, dass ich die gleiche Strecke bereits einige Male vorher schon gelaufen war? Die Wahrheit lag wohl dazwischen und woanders. Auf einmal dämmerte es mir wie die Sonne am Horizont.
Man musste das Projekt angehen wie eine 1,00 Einheit:
Nicht zu übermotiviert, mit dem Willen, gleich alles auf einmal schaffen zu wollen, sondern "Stück für Stück", mit eingebauten Pausen und einem bestimmten Tempo, um das Ende nicht aus den Augen zu verlieren , da ein zu gedrosselter Antrieb sich kontraproduktiv auswirken und die Sache als Ganzes nur ungenießbar machen würde. So gesehen hatte die Trainingspause im Nachhinein dann doch noch ihre Berechtigung. Ein Glück.

PS: Morgen werde ich den zweiten Versuch starten, meine Eierlegende Wollmilchsau zu kaufen.

noch ca. 46 Tage

An der Eingangstür sprang es mir in großen Lettern entgegen, was wiederum mich gedanklich (mehrmals) im Dreieck springen ließ:
"Heute geschlossen". Also erstmal kein Rad...durchatmen.
Nach diesem- wenn auch kurzen- sportlichen Gehirnjogging ging es einen Tag später wieder an die "richtige" körperliche Betätigung in Form von Schwimmen. Zwei Nordbadener im Südbad- man möge mir dieses schlechte Wortspiel verzeihen. Meine Motivation hielt sich in Grenzen, leider schien es Michael an diesem Abend genauso zu gehen, aber die Tatsache, dass Minus mal Minus Plus ergibt, gestaltete unseren Ausflug ins kühle Nass ein wenig entspannter. Kurze Lagebesprechung und schon ging es ins Becken, auf Michaels rat stieg ich, wie er, in die abgeteilte Seite, wo alle Gadgets aus der Schwimmabteilung von den dort Aktiven zum Einsatz kamen- um das Feeling der Bahnen zu bekommen. Schnell sagte mir mein Feeling, die andere Seite des Beckens zu benutzen, da sich die Anzahl an AMGs rasch häufte und man mit einem Polo dauerhaft auf der linken Spur nur den Verkehr aufhielt. So fuhr ich wie gewohnt, in einem entspannten Tempo, das vorzugsweise beim älteren Semester Anwendung findet, fort, immer mit dem Kopf außerhalb des Wassers. Schließlich wollte ich die Gegend mich herum begutachten, so wie ich es schon im Volksbad an der Isar getan hatte.
Ich wurde nicht enttäuscht:
eine ansprechende Dachkonstruktion, eine Längsseite üppig bestückt mit lebendiger Begrünung, die gegenüberliegende Längsseite großzügig verglast, heute zum Freibereich geöffnet.
Trotzdem fragte ich mich erschreckend schnell wieder:
Was mache ich hier?
Ich entdeckte das große Wandmosaik über dem Ende des Beckens, eine moderne Interpretation in Anlehnung an das Antike Griechenland, dessen Szenerie dem Besucher wohl einen Eindruck vermitteln soll, wie man damals den Schwimmsport zu zelebrieren pflegte. Es war vielleicht meiner Fantasie geschuldet, dass ich dieser Darstellung maximal die Atmosphäre eines lauen Sommerabends unter dem Motto "Dolce far niente" (auch das Römische Imperium schwamm mal) abgewinnen konnte. Einzig die seit 15 Minuten auf einer Liege entspannende Person, sowie die restlichen Sonnenanbeter im Freien nahmen sich diese Kunst am Bau zu Herzen. Für was also dann eine Schwimmbrille?
Die Wahrscheinlichkeit auf dem Boden des Beckens ein Schiffswrack oder seltene Korallen zu entdecken war nicht vorhanden.
Ich hatte es Michaels Motivationskunst zu verdanken, außerdem wurde es allmählich Zeit , mich technisch zu verbessern und so zog ich dann doch noch seine Brille auf. Und siehe da, es ging wirklich besser, doch das hatte ich hauptsächlich Michaels Geduld und hilfreichen Tipps zu verdanken. Es war das, was ich brauchte, um meinen bisherigen "Rekord" von 750m aufzustellen.

Aus `Was mache ich hier?` wurde `Mich verbessern!`

Ich musste nur am Ball bleiben, oder eben im Wasser.
Jedes Mal etwas mehr. Stück für Stück.

noch ca. 41 Tage

"Also bei dem Modell sieht es so aus, als ob die Streifen breiter sind als bei dem anderen Modell." - "Ein Lineal hab´ ich jetzt gerade nicht bei mir..." 
Da dieses Beratungsgespräch vor dem Regal der Badeslipper nicht den Anschein machte, ein baldiges Ende zu finden, beschloss ich, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und wagte mich an die Anprobe einiger Modelle mit den drei Streifen. Auch ohne Lineal stellte ich fest, dass ich entweder an den Füßen abnehmen musste oder ein anderes Fabrikat zu wählen hatte. Also erstmal keine neuen Latschen. Nach dem Kauf der figurbetonteren Badehose ging es an die Schwimmbrille und wie so oft wurde ich von der großen Auswahl erschlagen. Verspiegelt, unverspiegelt, getönt, ungetönt, breiter, weniger breit, dafür enger. Mit etwas Geduld und der richtigen Beratung bekam auch ich schließlich einen Durchblick und kaufte eine unverspiegelte, getönte, mittelenge, nicht zu hohe, schwarze Schwimmbrille (siehe Foto).

noch ca. 40 Tage

Frisch ausgestattet war meine Motivation an diesem Abend so hoch wie noch nie. In meiner Vorstellung durchgleitete ich nahezu mühelos eine Bahn nach der anderen. Als wir uns dem Becken näherten und den hohen Besucherandrang sahen, nahm ich relativ schnell wieder Abschied von dieser Vorstellung. Ich bemerkte, wie ich mich über die Kandidaten und Kandidatinnen vor mir echauffierte, deren legere Schwimmweisen mich davon abhielten, sämtliche Rekorde zu brechen. So schnell ging es also. Vor ein paar Wochen wäre ich fast im Wasser stehengeblieben und jetzt, mit all dem ganzen Schnickschnack an meinem Körper,  fühlte ich mich wie Franziska van Almsicks Schwimmtrainer. Der Wechsel zu den Profis, wo Michael seinen Trainingsplan abspulte, kam trotzdem nicht in Frage, ein tiefergelegter Polo mit Sportauspuff ist immer noch keine AMG Rennmaschine. Demütig zog ich Bahn um Bahn, bis mich körperliche Schwierigkeiten zum frühzeitigen Abbruch zwangen. 
Ernüchterung machte sich breit.

noch ca. 36 Tage

Es war wieder ein Samstag, als ich einen erneuten Versuch startete, mir einen schicken, fahrbaren Untersatz zu kaufen.
Ein schlechtes Omen?
Dank vorangegangenem Telefonat wusste ich, dass im Laden ein potenzielles, gebrauchtes Modell auf mich wartete und war dementsprechend euphorisch und optimistisch gestimmt, dass diese
Odyssee der Fahrradsuche nun endlich beendet werden konnte.
Eine kurze Begrüßung und schon reichte man mir das Objekt, wegen dem ich kam. "Du kannst gerne mal die Straße hier entlang fahren, um zu sehen, ob es passt." Gesagt, getan. Ich war mir der, nennen wir es, ungewohnten Sitzpostion, die man auf einem Rennrad einnimmt, bewusst. Würde die Radstrecke des Triathlons 40km durch einen Tunnel gehen, dessen Durchfahrtshöhe nur 1,70m beträgt, wäre meine Körperhaltung zwar unbequem, aber durchaus geeignet gewesen. So war sie leider nur wenig komfortabel, weshalb ich kurz beim Personal nachfragte. "Das ist schon so, die Körperhaltung ist bei Rennrädern eben ewtas weiter unten." Leider war ich vom Rest des Rads ebenso wenig überzeugt und musste zu lange überlegen, was das Zeichen war, nicht zuzuschlagen. Ernüchterung.
Es war Zeit für ein Erfolgserlebnis, sodass nach den Rückschlägen im Wasser, auf dem Rad, die vermeintlich leichteste Disziplin an der Reihe war. 10km sollten es einige Stunden später am gleichen Tag sein. Immer auf der Suche nach Orten, die optisch viel zu bieten haben, wählte an diesem Abend hierfür die Strecke um die Theresienwiese. Die Sonne ging langsam hinter der Bavaria unter und die vereinzelten  gigantischen Gerippe der Festzelte warfen lange Schatten auf den Rest der noch leeren Festwiese. In ein paar Monaten wird dieser Ort für kurze Zeit Schauplatz für Jubel, Trubel, Heiterkeit werden, meine kurzen Träumereien gimpfelten darin, wie auch ich in einem der Zelte stehe und mich u. a. an frisch Gezapftem erfreue. Bis dahin galt das "tolle" Motto:
Sport ist meine Droge. 

Wer genau für diese pseudomotivierte, mittlerweile inflationär oft verwendete Zeile verantwortlich ist, bleibt ein Rätsel, vermutlich irgendwelche Marketing Heinis, wie so oft.

Für den Basketballsport mag das zutreffen. Schon häufiger hatten mir in der Vergangenheit geübte Läufer vom sog. Runner`s High erzählt, vielleicht war das ja gemeint. Plötzlich ertönte aus dem Außenbereich eines entfernten Lokals ein mir bekannter Klassiker:
"Cocaine" in der Version von Eric Clapton, gespielt von einer engagierten Coverband. Einige Meter abgespult, war das einzig highe die Steigung auf der Hälfte der Strecke, die ich vergessen und nun zu überwinden hatte und am Ende auch überwand.
10km am Stück, jetzt galt es, den Rest zu trainieren.

noch ca. 33 Tage

Ich stand in der Hofeinfahrt vor dem geöffneten Kellerfenster und schaute in die gut sortierte Werkstatt, wo zwei Jungs in meinem Alter, zwischen diversen Schläuchen, Satteln, Rahmen, gebrauchten Rädern einen neuen Glanz verschafften. "Servus, du bist hier wegem dem Rad, richtig?" Ich bejahte und wurde gebeten, doch kurz hinunter zu kommen, um mir das Rad anzuschauen, das ich bisher nur von Fotos kannte. Gefunden hatte ich es über ebay Kleinanzeigen bzw. Instagram, wo das Angebot an gebrauchten Rädern bisher am größten und am viel versprechendsten ausfiel. Einige Whatsapp Nachrichten später und ich stand in besagter Werkstatt, in der einer derJungs trotz einbandagiertem Fuß auf einem Stuhl sitzend seine Arbeit verrichtete. Ähnlich wie bei vergangenem Kaufversuch,  begann ich einige Fahrversuche auf der Straße, aber anders als Wochen zuvor, fühlte ich mich auf diesem Rennrad deutlich wohler und war mir sicher: das war es. Ich hielt wieder vor dem Kellerfenster, um mich mit dem gehandikapten Experten auszutauschen, der mir zwanglos aus der Hüfte noch ein paar Eckdaten an die Hand gab, während sein Kollege mir netterweise den Lenker etwas anpasste. Nachdem der Kauf in trockenen Tüchern war, verabschiedete ich mich dankbar und fuhr durch den nicht trockenen Regen nach Hause. Der Himmel weinte, doch das tat meiner Freunde keinen Abbruch.

noch ca. 28 Tage

An diesem Sonntag stand mit dem Sport Scheck Lauf die erste kleine Generalprobe an: 10 offizielle Kilometer, professionell gestoppt inkl. Foto des Zieleinlaufes und Medaillen (für alle Teilnehmenden). 
In meinen Augen spielte das Wetter mit, vielleicht etwas zu übermotiviert, schon am frühen Morgen erreichte das Thermometer über 20 Grad.
Nicht nur ich nahm mich dieser Herausforderung an, sondern ebenso einige meiner Kollegen und Kolleginnen, sowie deren Angehörige. Der Treffpunkt für die 10km Läufer war auf 10:30 Uhr terminiert, so hatte man noch 30 Minuten, um sich mental vorzubereiten, körperlich zu erleichtern oder die Idee der Teilnahme nochmal zu überdenken, ehe der Lauf gegen die Zeit begann.
Da ich mich in absehbarer Zeit noch genug abzuhetzen hatte, beschloss ich, etwas früher auf der Ludwigstraße aufzuschlagen, auch um dem möglichen großen Andrang bei der Gepäckabgabe aus dem Weg zu gehen und die verbliebene Zeit zu nutzen, die Atmosphäre dieses Events auf mich wirken zu lassen. Ich kannte Musikfestivals nur aus Erzählungen, aber das, was sich auf der kleinen Meile hinter der Zeillinie abspielte, kam dem schon sehr Nahe: 
Getränke in Hartplastikbechern, vereinzelte Personen in Liegestühlen, Livemusik, Dixi Klos und Merchshops, nur mit geschultem Auge kamen die versteckten Nuancen bei genauerem Hinsehen zum Vorschein. In den Liegestühlen wurde kein kühles Blondes, sondern die kühle Brise im Schatten genossen, vor der Bühne wurden keine Idole verehrt, sondern Läufer geehrt. Dixi Klos konnten ohne Angst benutzt werden und an den Merchshops gab es Laufshirts mit personalisierter Laufzeit anstelle von Fanshits mit Tourdaten. 
´Eigentlich ganz nett hier, wäre nur nicht dieses Laufen` dachte ich mir und nahm einen weiteren Schluck vom alkoholfreien, isotonischen Erfrischungsgetränk im Becher, eine gute Vorbereitung war schließlich Gold Wert, sofern man es ausgehändigt hätte. Während sich die letzten Teilnehmenden des Halbmarathons ins Ziel kämpften, führte im Hintergrund ein Moderator am Mikrofon in bester Radio- Morningshow Laune durch den Tag, immer wieder mit Lobhudeleien, wie toll alles sei. Bis auf die Tatsache, bei ca. 30 Grad 10 km in der Sonne zu rennen, war es auch ziemlich gut. Unsere Gruppe sammelte sich kurz, um Erinnerungsfotos zu schießen und schloss sich danach den restlichen ca. 1.200 Teilnehmenden an, alle mittlerweile aufgeteilt in drei Startblöcke. Ich merkte, wie die Stimmung innerhalb der Gruppe ernster und angespannter wurde. Block B oder A?  Unruhig wurde auf den diversen Smartfit Uhren herumgetippt, um mich herum lockere aber auch teilweise fokussierte Blicke, als ob ein WM Finale oder ein Flug auf den Mond angestanden hätten, dazu alles, was die Maschinerie der Laufindustrie, nun ja - am Laufen hält: übergroße Brillen, die man auch zum Skifahren verwenden konnte, Kopfbedeckungen, Schuhe in allen Farbkombinationen, sowie umschnallbare Trinkflaschen im Rucksackformat. Wieder kam ich mir leicht fehl am Platz vor, wozu das alles, war es doch im Großen und Ganzen nur "a walk in the park", in unserem Fall, durch den Englischen Garten...

noch ca. 22 Tage

Der große Tag rückte, schneller als ich wollte, näher und näher, weshalb auch die Intensität der Trainingseinheiten automatisch erhöht werden musste und wurde. Da sowohl Michael, als auch ich nun mit einem Rad ausgestattet waren, stand eine Radstrecke von 40km an, plus 10km Laufen im Anschluss, die gleichen Distanzen, die wir dann zusammen in ca. drei Wochen am Wörthsee mit der dritten Disziplin abzuarbeiten hatten. Was das Equipment anging, war ich glücklicherweise dank meinem Vater schon gut ausgestattet, einzig mein bis dato eher spärlicher bis nicht da gewesener Kontakt mit der Fahrradmode, ließ mich beim Anziehen der Fahrradhose kurz erstaunt aufatmen. Es war nicht die enge Passform, die meine Aufmerksamkeit erweckte, sondern die an gewissen Stellen stark ausgeprägte Polsterung, die bei mir ungewollt sofort das Gefühl vermittelte, als hätte sich das Übriggebliebene des Verdauungsprozesses in Ermangelung an sanitären Einrichtungen oder üppigen Waldstücken, selbstständig den Weg nach draußen gesucht. Nicht, dass ich jemals in so einer prekären Situation gewesen war, aber so musste es sich anfühlen. Ich dachte an die lange Strecke auf dem Sattel und arrangierte mich damit. So ging es dann los, Michael in Sichtweite vor mir als der Navigator und ich dahinter. Kritiker*innen, die hier eine ungleiche und deswegen unfaire Aufteilung sehen: der Vorteil des Windschattens war nie gegeben, da uns beide zu 99,5% der Fahrt mindestens mehrere Hundert Meter trennten. Getrennt waren wir hier (nicht asphaltierter Waldweg) und da (ungewöhnlich stark ansteigende Straße) auch kurz von unserem Ziel, dem Wörthsee, was aber keinesfalls unserem Navigator zuzuschreiben war, sondern mehr der Tatsache, dass wir die Strecke bisher kaum bis gar nicht kannten. Die kurzen Pausen zur Rückgewinnung unserer Orientierung kamen mir sehr gelegen, um kurz druchzuatmen. Bis zur Häflte schienen mich leichte Steigungen oder gefühlt 20min lange Fahrten auf kerzengeraden Abschnitten durch den Wald, die vor Monotonie so strotzten, nur bedingt zu stören, ich merkte aber leider mit jedem Kilometer,  wie die Leichtigkeit der Ungeduld wich und die Lust immer etwas mehr auf der Strecke blieb. Wieder kam der Gedanke auf: ´Was mache ich hier?` Alles gipfelte darin, wie ich später bei einem kurzen Abschnitt mit der Steigung einer Bergetappe der Tour de France, vom Rad stieg und es die restlichen Meter bis nach oben schob. ´Warum machen wir keinen Triathlon in den Niederladen, sondern hier, wo es keinen Kilometer geradeaus geht?`

Am Hochpunkt der Fahrt war der Tiefpunkt erreicht.

Es konnte also nur besser werden!
Immer dankbar für Abwechslung am Straßenrand, war ich umso froher, als es vorbei an Feldern, Vorgärten, Garagen, Kühen, oder durch kleinere, belebte Ortschaften ging, an deren Rasthöfen wir nie Rast machten, sondern nur vorbeirasten. Erschöpft aber glücklich kamen wir mit etwas Verspätung und einigen Kilometern mehr am Wörthsee an, jetzt noch 10km zu laufen, erschien (zumindest mir) nicht möglich. Erstaunlicherweise war dem nicht so, nach ein paar Schritten setzte der Automatismus ein und die Tortur der letzten Stunden war deutlich weniger zu spüren. Wenn das mal kein gutes Zeichen sein sollte...

noch ca. 11 Tage

Die Gewissheit, nach 40km Fahrradfahren noch einigermaßen stabil laufen zu können, stimmte mich optimistisch. Jetzt ging es darum, alle noch vorhandenen Defizite und Zweifel auf dem Gebiet des Wassersports aus dem Weg zu räumen. Schwimmen, schwimmen, schwimmen sollte jetzt die Devise für die restliche Zeit sein, weswegen ich an diesem Abend nach der Arbeit noch einen Abstecher in das nahegelegene Schyrenbad (Freibad) machte. Offensichtlich hatte diese Idee auch halb Untergiesing. ´Hilft ja alles nichts`, dachte ich mir, um anschließend festzustellen, meine Schwimmbrille daheim gelassen zu haben. ´Naja, hilft ja jetzt wirklich nichts`. Kurz abgeduscht und schon ging es ins Becken. Ich konnte theoretisch aus sieben Bahnen wählen, praktisch waren die äußersten drei Reihen mehr oder weniger von den Profis ausgebucht und glichen zeitweise einem Piranhabecken bei Fütterungszeit, weshalb ich versuchte, mich zwischen dem Rest aus Freestylern, Ringetauchern, spontanen Stehenbleibern und entspannten Schwimm-Rednern, einzurichten, wodurch nebst meinem Körper auch meine Nerven benasprucht wurden. Im Nachhinein gesehen eigentlich ein super Training. Ich wollte mich auf das Wesentliche konzentrieren, kam mit der Zeit leider nicht besser, sondern eher schlechter in die Gänge, die Pausen und deren Längen häuften sich und unterbewusst kam die Hoffnung auf, dasss ein plötzliches Gewitter mich brutal zum Aufhören zwingen könnte. Kein gutes Zeichen. ´Hilft ja alles nichts, einfach weitermachen`. Leichter gedacht, als getan.´Vielleicht sind die Bahnen hier ja länger als sonst, dann hätte ich ja jetzt schon ziemlich viele Kilometer abgespult`, schwirrte es in meinem Kopf herum*. Auch kein gutes Zeichen. Es kam wie es kommen musste, ein Krampf zwang mich zum vorzeitigen Abbruch. 
Der Moment war gekommen, jetzt wusste ich endgültig, ein solches Vorhaben, einen Triathlon, kurz oder lang, olympisch oder unolympisch, mit 99,99%-iger Wahrscheinlichkeit nie mehr zu wiederholen, denn das Vergnügen an der Sache hatte stets, zu meinem Bedauern, nur selten die Hauptrolle, sondern, wenn überhaupt, eine Statistenrolle ohne Text gespielt.

* Nachtrag: Während der Recherche zu diesem Bericht ist tatsächlich folgende Sachlage ans Licht gekommen:
Bahnenlänge Südbad: 25m
Bahnenlänge Müller`sches Volksbad: 31m
Bahnenlänge Schyrenbad: 50 (!) m
Unbewusst könnte ich also an diesem Abend
-ohne Michaels moralische und technische Unterstützung
-ohne Schwimmbrille
-ohne meine strömungsfreundlichen Badeshorts
(ich hatte was an, das war aber leger und nicht eng anliegend)
-mit Hindernissen im Wasser
-mit wachsender schlechter Laune
-mit Pausen und
-ohne es zu merken
meinen persönlichen Schwimmrekord eingestellt haben. Wow.

noch ca. 8 Tage

Positiv. 
Der Fortschritt bei meinem Training womöglich in Ansätzen.
Mit Sicherheit aber mein Antigen- Schnelltest.
Und mein PCR- Test.

der tag des triathlons

Michael ist vor Ort, ich wegen Corona nicht.
So schnell geht es.